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Agile Leadership - Vergleich agiler Führungskonzepte

Leadership ist bereits seit den 1930er Jahren ein zentrales Thema in der betriebswirtschaftlichen Forschung. Bis heute existiert kein einheitliches Konzept dieses Begriffs. In einem Forschungsprojekt haben wir diese neuen Agilen Konzepte gegeneinander abgegrenzt.

 

Das Führungsverständnis im Laufe der Zeit


Bevor wir zum Thema der Agilen Führung kommen, geben wir vorab noch einen kurzen Abriss über das traditionelle Führungsverständnis sowie dessen Entwicklung. Der Fokus zu Beginn der Führungsforschung fokussierte sich vor allem auf den Unterschied und Zusammenspiel von verschiedenen Charakter und Persönlichkeitseigenschaften. Dies konnte in der Forschung nicht eindeutig bestätigt werden weshalb seither Führung mehr als ein sozialer Prozess verstanden wird und dadurch Verhaltensweisen – und nicht mehr Charaktereigenschaften – ins Zentrum rücken. Zweck von Führungsprozessen war die Erreichung von gemeinsamen Zielen oder Ergebnissen, die, wie Kotter (1989) betonte, “zwangsfrei” erreicht werden sollten. Damit dies reibungslos gelingt, ist eine gemeinsame Vision notwendig.

Leadership is an influencing process aimed at goal achievement” – Ralph Stogdill (1950)

Dass dieser soziale Prozess und entsprechende Verhaltensweisen nicht immer gleich ablaufen und von vielen kontextuellen Faktoren abhängen – individuelle Neigungen und Tendenzen, Beziehungen zwischen Menschen, Umfeld in der Organisation, um nur ein paar Beispiele zu nennen – erscheint irgendwie klar. Der Fachbegriff hierfür nennt sich Kontingenztheorie (oftmals synonym mit Situativem Führen gleichgesetzt) und wurde in den 1960er Jahren von Fred Edward Fiedler entwickelt. Die Kontingenztheorie besagt kurzgefasst, dass der Führungsstil (aka Verhaltensweisen) nicht komplett von der Persönlichkeit (aka Charakteristika) getrennt werden kann und eine Führungskraft deshalb nur sehr schwer für neue Situationen ausgebildet werden kann. Der grosse Kritikpunkt an Kontingenztheorien ist jedoch, dass ihre Validität nicht geprüft werden kann, da viele Begriffe bzw. Variablen in der Theorie so formuliert sind, dass man sie schlichtweg nicht messen und damit auch nicht empirisch prüfen kann. Das Modell kann also keine konkreten Vorschläge zur Verbesserung des Führungsverhaltens machen.

Das in traditionell und hierarchisch strukturierten (Gross-)Unternehmen etablierteste Konzept ist die transaktionale Führung, mit der wohl bekanntesten Ausprägung Management by Objectives, inklusive dem allseits beliebten Jahresgespräch und der dazugehörigen Zielvereinbarung. Das Beispiel verdeutlicht sehr gut den Kern dieses Konzeptes. Führungskräfte motivieren ihre Mitarbeitenden primär über Ziele und Aufgaben, für welche die Mitarbeitenden bei Erfüllung finanzielle oder immaterielle Vorteile erhalten – es ist also ein Austausch (eine Transaktion).

Seit Mitte der 1990er Jahre wird sich vermehrt mit dem Konzept der transformationalen Führung beschäftigt. Erstmals 1978 erwähnt, beruht transformationale Führung auf der Fähigkeit von Führungskräften, ihre Vorbildfunktion überzeugend wahrzunehmen. Die Mitarbeitenden werden durch dieses Verhalten intrinsisch motiviert und zur Veränderung (Transformation) ihres eigenen Verhaltens und ihrer Lern- und Leistungsbereitschaft inspiriert – weg von individuellen und egoistischen Zielen, hin zu kollektiven, grösseren Zielen.

 

Agile Leadership


Was bedeutet dieses Führungsverständnis für Agile Leadership? Bevor wir dazu kommen, möchte wir versuchen, hier eine kurze Definition zu geben. Eine einheitliche Definition hängt von den verschiedenen Aspekten der jeweiligen Forschungsströmung ab. Nachfolgend präsentieren wir die prominentesten, welche Agile Leadership als eine dynamische Denkweise bzw. Haltung, die die Veränderung als Dauerzustand begreift.

Agile Leadership ist die Fähigkeit, diverse und fragmentierte Organisationen zu steuern und gleichzeitig Stabilität und Kohärenz in einem sich verändernden Umfeld zu gewährleisten. McKenzie & Aitken, 2012

Wie diese Definition zeigt, spielt der Wandel und die Unsicherheit als Normalzustand eine grosse Rolle und wird auch von anderen Forschenden als Eigenschaft für Führungskräfte beschrieben.

Agile Leader sind beweglich, flexibel und fähig zur Transformation von Menschen, Teams und Prozessen. Sie begreifen Führung als Rolle, die definierte Aufgaben beinhaltet, anstatt als Position oder Funktion. Svenja Hofert, 2016

Im Kontrast zu dieser Definition verstehen zahlreiche andere Publikationen Agile Leadership als die Art und Weise, wie Führung gestaltet wird. An dieser Stelle entsteht dann auch die Verknüpfung zu Arbeitsprinzipien wie Scrum, Kanban, oder Lean Management, welche in unterschiedlich starkem Ausmass auf Selbstorganisation setzen. Daher wird mit Agile Leadership oftmals auch Führung in selbstorganisierten Teams oder Organisationen mit sehr flachen hierarchischen Strukturen assoziiert.

Agile Leadership ist daher oft ein Überbegriff für Führungspraktiken, die das organisationale Lernen und Agilität vor dem Hintergrund laufenden Adaption und Innovation in einer sich stetig ändernden Umwelt.

Es wird recht bald klar, dass Agile Leadership als ein Überbegriff für eine Vielzahl von Leadership-Stilen und -Praktiken für die Führung in Organisationsstrukturen verstanden werden kann, welche die Adaption und Innovation in einer sich stetig ändernden Umwelt fördern und auf die Führung von zunehmend selbstorganisierten Teams ausgelegt sind.

 

Eine Übersicht Agiler Leadership Konzepte

 

Nachfolgend wollen wir die bekanntesten Konzepte im Detail vorstellen und zu weiteren existierenden Konzepten kurze Definition liefern.

  • Servant Leadership. Starten wir mit einem der wohl derzeit populärsten Begriffe. Der Begriff Servant Leadership wurde 1970 von Robert Greenleaf geschaffen. Wie der Name bereits erahnen lässt, ist der Kern dieses Konzeptes, dass Führung nicht als überstellte Position und Statussymbol betrachtet wird, sondern als Gelegenheit, dem Team zu dienen. Auf diese Weise unterstützt der Servant Leader das Team und hilft dabei, das volle Potential des Teams auszuschöpfen. Obwohl der Fokus dieses Leadership Konzeptes zuerst auf dem Team und dann auf der Organisation als Ganzem beruht, profitiert die Organisation – und zwar indirekt von der Performance des Teams. Seine Wurzeln hat Servant Leadership im Charismatic Leadership, welches eine Führungsperson als charismatische Persönlichkeit beschreibt und das Team darüber steuert, dass es sich mit der Person identifiziert und ihr vertraut.
  • Emergent Leadership. Emergent Leadership (auch verteilte Führung genannt) beschreibt das Hervortreten einzelner Gruppenmitglieder innerhalb von selbstorganisierten Teams, die im Rahmen der Zusammenarbeit informell Führungsfunktionen übernehmen. Folglich wird Führung als ein Prozess der Bedeutung und Orientierung innerhalb einer Gruppe konzeptualisiert. Emergent Leadership argumentiert, dass durch den natürlichen Auswahlprozess das qualifizierteste Gruppenmitglied Verantwortung übernimmt und es dadurch erfolgversprechend ist. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Personen, welche die Arbeit verrichten (die Teammitglieder), am besten wissen, wer für die Übernahme von Verantwortung geeignet ist.
  • Shared Leadership. Wie der Name bereits suggeriert, wird die Führungsverantwortung bei Shared Leadership auf mehrere Teammitglieder verteilt. Zentral hierbei sind die Interaktion zwischen den Teammitgliedern und der gegenseitige Einfluss sowie das Verfolgen gemeinsamer Ziele, was schliesslich zu gesteigerter Team- und Unternehmensperformance führen soll. Eng verwandt mit dem Begriff von Shared Leadership bzw. eine spezielle Form, ist das Konzept des Rotated Leadership, bei dem die Teilung der Verantwortung festen Regeln unterworfen ist und die Führung im Team zeitlich oder bei bestimmten Trigger-Events wechselt.
  • Visionary Leadership. Beim Konzept des Visionary Leadership steht der gewünschte zukünftige Organisationszustand im Fokus, welcher als gemeinsame Basis dient, die Umsetzung zu ermöglichen. Dadurch sollen alle Individuen persönlich motiviert und angeregt werden, persönliche Verantwortung für die Erreichung zu übernehmen. Ein der Visions-basierten Führung nahestehendes Konzept ist Spiritual Leadership, bei dem der Fokus aber deutlich stärker auf der Ideologie und den Vorstellungen persönlicher Werte liegt.
  • Self Leadership.Selbstführung kann als eine umfassende Perspektive der Selbstbeeinflussung verstanden werden, um sich zur Erfüllung von natürlich motivierenden Aufgaben zu führen und sich selbst zu managen, um Aufgaben zu erledigen, die nicht natürlich motivierend sind. Im Kontext von Teams wird die Selbstführung als Ausmass beschrieben, zu dem ein Team die Freiheit und Autorität hat, sich unabhängig externer Kontrolle zu führen.

 

Neben diesen fünf Strömungen existieren in der Forschung eine ganze Reihe weiterer Konzepte, die mehr oder weniger anerkannt (und verbreitet) sind.

Leadership Konzepte Definiton
Promise-based LeadershipDie Befähigung des Einzelnen, innerhalb der Organisation wie ein echter Unternehmer zu handeln – Gelegenheiten zu erkennen, die erforderlichen Ressourcen zusammenzustellen, um Gelegenheiten zu ergreifen und sich auf diesem Weg flexibel anzupassen.
Digital Leadership Fokus auf Transformation, insbesondere Digitalisierung, um den strategischen Erfolg der Digitalisierung des Unternehmens und sein geschäftliches Ökosystem sicherzustellen.
Complexity LeadershipComplexity Leadership Führungsdenkweise, die sich darauf fokussiert, Lern-, Kreativitäts- und Anpassungsfähigkeit von komplexen adaptiven Systemen im Kontext wissensproduzierender Organisationen zu ermöglichen.
Executive-as-a-CoachDer Grundgedanke ist, dass Führungskräfte in vielen Situationen eher wie Coaches agieren sollten. Dazu soll Führungskräften diese Kompetenz vermittelt werden, damit diese als solche in der Organisation agieren. Grosse Überschneidung zu Servant Leadership.
Entrepreneurial LeadershipFokus auf unternehmerisches Handeln (siehe auch Promise-Based Leadership) mit dem Ziel, visionäre Szenarien zu schaffen, die dazu dienen, eine passende Besetzung von Personen zusammenzustellen, welche sich durch die Vision inspirieren lassen und im Sinne des Teams handeln und Wert generieren.
Spiritual LeadershipLeadership-Stil, der Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen umfasst, die notwendig sind, um sich selbst und andere intrinsisch zu motivieren. Dazu gehört zum einen das Schaffen einer Vision, die zum Zweck hat, den Mitgliedern der Organisation ein Gefühl der Zugehörigkeit und einen Sinn zu geben. Zum anderen umfasst Spiritual Leadership die Entwicklung einer Kultur, die auf altruistischer Liebe basiert, in der Führungspersönlichkeiten und Anhänger echte Fürsorge, Interesse und Wertschätzung sowohl für sich selbst als auch für andere erfahren.